Gerd Lohrmann war 30 Jahre lang Kommandant der Neckartenzlinger Feuerwehr – Im Gespräch mit der Nürtinger Zeitung blickt er auf diese Zeit zurück
Dreißig Jahre stand Gerd Lohrmann als Kommandant an der Spitze der Freiwilligen Feuerwehr Neckartenzlingen. Auf eine so lange Dienstzeit in verantwortungsvoller Position können nur wenige zurückblicken. Wir sprachen mit Gerd Lohrmann über seine Erinnerungen und darüber, wie sich das Feuerwehrwesen in diesem Zeitraum entwickelt hat.
Herr Lohrmann, am 21. Mai war für Sie der letzte Tag im Amt des Feuerwehrkommandanten. Was war der Grund für Sie, das Amt abzugeben?
Nach 30 Jahren in der Verantwortung kann man da schon mal drüber nachdenken. Und aufgrund meines Alters – ich werde in diesem Jahr 62 Jahre alt – und der gesetzlichen Vorgabe, dass mit der Vollendung des 65. Lebensjahres der Einsatzdienst beendet werden muss, hätte ich auch keine fünfjährige Amtszeit mehr zu Ende machen können. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich also entschieden, aufzuhören und das Amt abzugeben.
Bleiben Sie der Feuerwehr weiterhin erhalten?
Ja, ich bleibe der Feuerwehr und aktuell auch der Einsatzabteilung erhalten. Ich habe der neuen Führung und der Mannschaft meine Vorstellungen zur weiteren Mitwirkung kundgetan. Nach so einer langen Zeit an der Spitze ist es schwierig für beide Seiten, für den neuen und für den scheidenden Kommandanten, mit so einer Situation umzugehen. Ich denke, das werden wir gut hinbekommen. Ich habe jetzt eine höhere Verfügbarkeit, und insbesondere die Tagesverfügbarkeit bei Feuerwehren ist immer ein spannendes Thema. Tagsüber ist man um jeden froh, der zum Einsatz kommt. Deswegen möchte ich auch diese Leistung noch zur Verfügung stellen, die Kameraden bei Bedarf mit Rat und Tat unterstützen und meine Erfahrungen mit einbringen.
Was bleibt Ihnen in der Rückschau im Gedächtnis?
Viele schöne Zeiten in der großen Familie der Feuerwehren. Es waren bewegte Zeiten, wir haben einiges miteinander geschafft. Natürlich bleiben einem vom Einsatzgeschehen manche Dinge in Erinnerung, auch kameradschaftliche Aktivitäten, die technischen Anpassungen oder zum Beispiel die sehr positive Entwicklung der Jugendfeuerwehr. Es war ein tolles Erlebnis, das alles mit begleiten zu dürfen.
Stichwort Jugendfeuerwehr: Wie wichtig ist es, den Nachwuchs in den eigenen Reihen auszubilden?
Mit dem Einzug ins neue Feuerwehrhaus im Jahr 1997 – was auch ein bedeutendes Ereignis in den 30 Jahren war, haben wir den Beschluss umgesetzt, eine Jugendfeuerwehr zu gründen, und im Mai 1997 wurde dieses dann auch vollzogen. Das war eine sehr wichtige Entscheidung. Seit 22 Jahren sind über 100 Jugendliche durch die Jugendfeuerwehr gegangen. Und circa 50 Prozent der heutigen Einsatzabteilung kommt aus der eigenen Jugend. Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir guten Zuspruch in der Jugendfeuerwehr haben. Ohne diese intensive Jugendarbeit wäre es ein Problem, in der heutigen Zeit Nachwuchs zu gewinnen. Das Thema Kindergruppen haben wir trotzdem im Hinterkopf. Im Januar 1998 hat sich dann auch eine Altersabteilung gegründet, sodass auch diejenigen, die früher mal in der Feuerwehr waren, die Möglichkeit haben, in der Feuerwehrfamilie zu bleiben. So schließt sich der Kreis zwischen den Jungen, den aktiven Kameradinnen und Kameraden und den „Alten“.
Gibt es einen Einsatz, mit dem Sie besonders positive Erinnerungen verbinden?
Es gibt viele Einsätze, die positiv sind, schlichtweg deswegen, weil man bei jedem Einsatz Menschen helfen und Sachwerte schützen kann. Da einen herauszuheben, der besonders positiv wäre, fällt mir schwer.
Welcher Einsatz hat Sie am meisten mitgenommen?
Wenn man die Einsätze nimmt, bei denen Personen zu Schaden kommen, dann ist man da immer auch betroffen. Und der jüngste dramatische Einsatz im vergangenen Jahr mit beteiligten Kindern war sicher ein Einsatz, der jeden von uns ein Stück weit mitgenommen hat. Und dann gab’s in den 30 Jahren ja viele Einsätze mit Toten und Verletzten. Aber mir sind auch noch ein paar andere prägende Einsätze in Erinnerung. Das ist einmal der Brand der Gaststätte Krone im März 1996, der Schreinereibrand, der Brand der Baufirma Schwarz oder des Busdepots Haussmann & Bauer. Das waren große Ereignisse, auch im Hinblick auf die Rahmenbedingungen oder die Folgen. Wenn man sieht, dass die Krone oder die Schreinerei dann nicht mehr steht, dann belastet einen das schon. Auch dass man Entscheidungen zu treffen hat, die das Wohl einer Familie oder einer Firma betreffen. Was aber auch prägend war, das waren die Hochwasserereignisse hier in Neckartenzlingen. Da kommt hin und wieder auch mal eine gewisse Hilflosigkeit durch. Überall kann man handeln und tun, aber wenn die Natur nicht mitmacht, dann steht man hilflos davor. Da werden einem die Grenzen aufgezeigt.
Wie geht man mit den Eindrücken von Schwerverletzten oder gar Toten um? Gibt es dabei professionelle Unterstützung?
Die zahlreichen Unfälle mitzuerleben, das belastet einen schon. Das Thema psychosoziale Notfallversorgung oder Notfallseelsorge war lange Zeit nur ein Angebot für die Betroffenen. Nach Ereignissen wie dem Bahnunglück in Eschede oder dem Donaueschinger Busunglück kam es mehr ins Bewusstsein, auch für die Einsatzkräfte was zu tun. Wir gehen damit sehr offen um und haben glücklicherweise auch unseren Pfarrer Ulrich Kopp, der bei uns mit Einsatzdienst leistet. Über Belastendes reden tut gut, Symptome zu verdrängen wäre falsch, Heldentum ist hier nicht angebracht. Man hat hier in den letzten 40 Jahren viel dazugelernt und geht mit dem Thema professioneller um.
Muss man sich als Feuerwehrkommandant in besonderer Weise für Einsätze bereit halten? Und wie wirkt sich das aufs Privatleben aus?
Die Feuerwehr wäre schlecht aufgestellt, wenn sie ohne Kommandant nicht arbeiten könnte. Insofern war es für mich auch nie ein Problem, während meiner beruflichen Zeit an Werktagen tagsüber in der Regel nicht dabei zu sein. Bei größeren Einsätzen bin ich dann dazugeholt worden. Die Tätigkeit eines Kommandanten spielt sich zu einem großen Teil im Hintergrund ab. Man hat Verantwortung für die Technik, für die Ausstattung, für die Alarmierungs- und Ausrückeordnung, die Ausbildung oder für die überörtliche Organisation von Hilfe. Das sind alles organisatorische Dinge, die natürlich nicht im reinen Feuerwehrdienst laufen. 75 Prozent der Tätigkeit spielt sich am Schreibtisch, in Gedanken und Überlegungen ab. Das hat natürlich Auswirkungen auf die Familie und auf den Beruf. Ich war in der glücklichen Lage, einen Arbeitgeber zu haben, der viel Verständnis für meine ehrenamtliche Tätigkeit aufgebracht hat. Und noch mehr Verständnis wurde mir von meiner Frau und und meiner Familie entgegengebracht.
In 30 Jahren als Feuerwehrkommandant hat man zweifellos auch so manche technische Neuerung bewältigen müssen. Wie hat sich das Feuerwehrwesen in diesem Zeitraum Ihrer Ansicht nach entwickelt und mit welchen Herausforderungen waren Sie konfrontiert?
Ich habe meine ersten Einsätze gefahren mit unserem Opel Blitz, Baujahr 1955, den wir heute noch als Oldtimer da haben. Sechs Sitzplätze, Sechs-Volt-Batterie, keine Computer – manuelle Technik, die auch ein Laie nachvollziehen kann. Es ging weiter mit anderen Fahrgestellen, mit Geländegängigkeit, mit anderen Einbauten, Atemschutz im Mannschaftsraum und vielem anderem mehr. Da hat sich in den letzten 45 Jahren wahnsinnig viel getan. Den Fuhrpark, den ich verantworten durfte, haben wir in den letzten 30 Jahren komplett ausgetauscht. Die erste Ersatzbeschaffung war unter meiner Verantwortung im Jahr 1990. Dieses Fahrzeug steht jetzt wieder zum Austausch an. Das Rad würde sich für mich somit von Neuem zu drehen beginnen. Heute diskutieren wir unter anderem über Displays, Rückfahrkameras und Navigation oder über die Vernetzung vor Ort. Der Ausfall einer technischen Komponente in einem Fahrzeug ist fatal, da mit normalen Bordmitteln und handwerklichem Verständnis nichts mehr zu machen ist. Da steckt aus meiner Sicht viel zu viel Technik drin. Und ob die neuen Fahrzeuge uns so wie die alten über 30 Jahre treu bleiben, das bezweifle ich.
Nach dem Entschluss als Kommandant aufzuhören: Kommt da Wehmut auf oder finden Sie, es hat gereicht?
Wenn da keine Wehmut aufkommen würde, dann wäre in den letzten 30 Jahren etwas falsch gelaufen. Für mich war es immer eine überzeugende Arbeit, der ich mit viel Engagement und mit viel Ehrgeiz nachgekommen bin. Es gab viele Dinge, die wir hier mitgestalten konnten. Ein Kommandant steht vor und hinter seiner Mannschaft und ist ohne seine Mannschaft nichts. Er hat Verantwortung, braucht aber auch das Gefühl der Unterstützung. Ich stehe als Kommandant ja nicht vorne, weil ich mich in Szene setzen will, sondern weil vorne einer stehen muss. Da ist es gut, wenn einem ein gutes Miteinander mit viel Vertrauen geschenkt wird. Aber jetzt ist es an der Zeit, noch etwas anderes zu machen. Die Last der Verantwortung muss ich jetzt nicht mehr tragen und Diskussionen in puncto Technik brauche ich nicht mehr zu führen. Also: Wehmut ja, aber auch ein Gefühl der Befreiung. Und wenn ich dann an meine Familie oder meine anderen Freizeitaktivitäten denke, dann lohnt es sich allemal, nun auch Zeit für andere Dinge zu haben.
Quelle: Mit freundlicher Genehmigung der Nürtinger Zeitung / Foto: Haussmann
Sebastian Kurz
Fachgebietsleiter Öffentlichkeitsarbeit und soziale Medien
Kreisfeuerwehrverband Esslingen-Nürtingen
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